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Die großen Gefühle

die natur der Emotionen

Bild: Carson Arias, www.StockSnap.io
Bild: Carson Arias, www.StockSnap.io

Emotionen leiten unsere Handlungen. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Bereiche des Lebens, die für uns von Bedeutung sind und helfen uns dabei, schnell auf äußere und innere Reize zu reagieren. Noch vor der bewussten Verarbeitung „spüren“ wir, ob wir uns von etwas angezogen oder abgestoßen fühlen. Emotionen sind aber immer auch von den eigenen biographischen Erfahrungen geprägt - und genau an dieser Stelle können sie uns aufs Glatteis führen.


Es gibt scheinbar unendlich viele verschiedene Arten zu fühlen: Wir können Stolz oder gar Triumph spüren, schwer an Scham oder Schuld tragen oder anderen gegenüber Verachtung empfinden. In der Emotionspsychologie wurde viel Energie darauf verwendet, eine möglichst umfassende Landkarte der Gefühle zu entwickeln. Inzwischen gilt die recht weit verbreitete Ansicht, dass sich die meisten Gefühle aus einigen wenigen Basisemotionen zusammensetzen (sehr schön zusammengefasst in Ekmans Atlas der Emotionen). Ihre Anzahl ist überschaubar: Man geht von fünf Basisemotionen aus.

 

Freude beschreibt in ihren verschiedenen Ausprägungen bspw. all die schönen Gefühle, die wir durch die Verbindung mit anderen Menschen oder durch den Genuss mit allen Sinnen erfahren. Sie sorgt dafür, dass wir die Umstände und Menschen, die uns guttun, immer wieder aufsuchen.

Angst hingegen verschärft die Wahrnehmung von möglichen Gefahren und sorgt für ein größeres Sicherheitsverhalten. Auch hier wird oft die Nähe zu unterstützenden Mitmenschen gesucht.

Trauer ist eine Reaktion auf Verlust. Wenn wir sie spüren, ziehen wir uns zurück und zeigen anderen, dass wir Unterstützung brauchen.

Abscheu schützt uns davor, uns zu „vergiften“ – dies gilt sowohl ganz konkret und physisch beim Ekel vor giftigen Substanzen, dies gilt aber ebenso sozial, wie bei der Abscheu vor Verhaltensweisen, die unseren sozialen Grundwerten – und denen unserer sozialen Mitmenschen – widersprechen. Abscheu lässt uns Abstand einnehmen.

Wut entsteht, wenn wir oder nahestehende Personen in der freien Entwicklung behindert oder Grundwerte bedroht werden. Tritt sie auf, geht es um deutliche Selbstbehauptung und Abgrenzung von anderen Menschen.

 

Diese Gefühle beeinflussen unsere Wahrnehmung, indem sie bestimmte, zum Gefühl passende Informationen auswählen (der Blick des Passanten, der unter Angst plötzlich bedrohlich wirkt). Sie beeinflussen auch unsere Körperreaktionen (der Ausdruck auf dem Gesicht wirkt bei empfundener Abscheu plötzlich abweisend). Und schließlich beeinflussen sie unsere Gedanken und Erinnerungen: Bei starken Gefühlen werden uns vergangene Erfahrungen „bereitgestellt“, um in der aktuellen Situation besser handeln zu können.

 

Der Rückbezug zu eigenen Erfahrungen birgt aber auch eine Gefahr: Durch einen harmlosen Trigger kann er uns in vergangenes Erleben zurückversetzen, das kaum noch etwas mit der aktuellen Situation zu tun hat. Wer beispielsweise in einem Umfeld aufwuchs, wo auf jede Äußerung von Ärger mit Missachtung oder Gegenaggression reagiert wurde, der wird vielleicht heute beim leisesten Anflug von Ärger gleich die vergangene Ohnmacht spüren und mit Traurigkeit reagieren, anstatt um die Erfüllung eigener Bedürfnisse zu kämpfen.

 

Was kann man also tun, um möglichst achtsam und erfolgreich mit den eigenen Gefühlen umzugehen? Zunächst ist es wichtig, die innere Aktivierung überhaupt erst einmal zu bemerken. Erst wenn klar ist, dass hier ein Punkt erreicht ist, der genauer betrachtet werden sollte, kann untersucht werden, welches Gefühl (falls das im ersten Schritt zu schwer ist: welcher Handlungsimpuls) dem zugrunde liegt. Dem schließen sich dann einige Fragen an: Ist das Gefühl angesichts des auslösenden Ereignisses angemessen (oder spielen „alte“ Erfahrungen hinein)? Spielen möglicherweise noch andere Faktoren eine Rolle, die die emotionale Verwundbarkeit erhöhen (schlechter Schlaf, Hunger, vorangegangene Ereignisse des Tages etc.)? Kann es für Sie oder andere zum Nachteil sein, Ihrem Handlungsimpuls zu folgen?

 

Die Abwägung fällt nicht immer leicht. In der therapeutischen Arbeit lade ich darum immer wieder dazu ein, sich von starken Gefühlen leiten zu lassen und gedanklich in die Vergangenheit zu reisen, um deren Ursprung auf die Spur zu kommen (in der schematherapeutischen Arbeit nennt man das "Imagination"). In anderen Fällen geht es eher darum, Strategien für den Umgang mit starken negativen Gefühlen zu entwickeln, um ihnen nicht mehr (vermeintlich) hilflos ausgeliefert zu sein.